Auszug aus der Pressemitteilung des Bundesjustizministerium vom 07.03.2006

Kinder besser schützen

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hat eine Arbeitsgruppe eingesetzt,
die sich mit Fragen der Gefährdung des Kindeswohls befasst. Die
Arbeitsgruppe, die morgen zu ihrer ersten Sitzung zusammenkommt, hat den
Auftrag, gesetzliche Erleichterungen für familiengerichtliche Maßnahmen bei
gefährdeten Kindern und Jugendlichen zu prüfen. Zudem soll sie
Verbesserungsmöglichkeiten in der praktischen Zusammenarbeit aller in diesen
Fällen beteiligten Professionen untersuchen.

„Zum einen wollen wir feststellen, ob das vorhandene familiengerichtliche
Instrumentarium ausreicht, um auf schwerwiegend verhaltensauffällige,
insbesondere straffällige Kinder und Jugendliche einzuwirken. Im Blick haben
wir dabei besonders staatliche Interventionsmaßnahmen gegenüber solchen
Kindern und Jugendlichen, die bereits in jungen Jahren erhebliche Straftaten
begangen haben. Zum anderen wollen wir untersuchen, was wir tun können, um
vernachlässigten Kindern frühzeitiger zu helfen und sie dadurch besser zu
schützen“, sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.


Nach dem geltenden Recht (§1666 BGB) kann das Familiengericht Anordnungen
treffen, die in die Rechte der Eltern eingreifen, um auf Kinder und
Jugendliche erzieherisch einwirken zu können. Solche Anordnungen erfolgen,
wenn das Wohl des Kindes durch missbräuchliche Ausübung der elterlichen
Sorge, Vernachlässigung des Kindes, unverschuldetes Versagen der Eltern oder
ein Verhalten Dritter gefährdet ist. Hinzukommen muss, dass die Eltern
selbst nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr für das
Kindeswohl abzuwenden. Das Gesetz selbst gibt keine konkreten Maßnahmen vor,
sondern überlässt es dem Familiengericht, die im konkreten Einzelfall
geeignete Anordnung zu treffen.

So kann das Gericht eingreifen, wenn etwa ein Kind wiederholt schwerwiegend
gegen Strafgesetze verstoßen hat. Gleiches gilt, wenn ein Kind Anzeichen
einer möglichen Drogenabhängigkeit erkennen lässt und damit eine
Kindeswohlgefährdung gegeben ist. Je nach den Umständen des Einzelfalls kann
das Gericht dann beispielsweise anordnen, dass das Kind an einem sozialen
Trainingskurs teilnehmen oder durch einen Erziehungsbeistand betreut werden
muss. In gravierenderen Fällen kann das Gericht anordnen, dass das Kind in
einer Pflegefamilie oder im Heim untergebracht wird. Zu den möglichen
Maßnahmen gehört auch die teilweise oder vollständige Entziehung der
elterlichen Sorge.

„Leider werden in der Praxis die Familiengerichte oft erst sehr spät
angerufen, wenn also ‚das Kind bereits in den Brunnen gefallen’ ist. Dann
bleibt den Familiengerichten oftmals nur noch, mit der Entziehung der
elterlichen Sorge zu reagieren. Im Interesse des Kindeswohls muss es aber
unser Ziel sein, eine Kindeswohlgefährdung schon in einem möglichst frühen
Stadium abzuwenden. Denn wenn das Familiengericht frühzeitig angerufen wird,
reichen oft Ge- und Verbote des Gerichts an die Eltern aus. Dazu gehört etwa
die Weisung, Hilfen zur Erziehung durch das Jugendamt anzunehmen. Oder das
Gericht kann den Eltern eines sozial auffälligen Kindes aufgeben, zusammen
mit dem Kind an einem Anti-Aggressions-Training teilzunehmen. Im Interesse
der vernachlässigten Kinder müssen wir dafür sorgen, dass die rechtlichen
und tatsächlichen Rahmenbedingungen so ausgestaltet sind, dass
Kindeswohlgefährdungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt abgewendet werden
können“, unterstrich Bundesjustizministerin Zypries in Berlin.

Voraussetzung dafür ist, dass die Familiengerichte eng mit den beteiligten
Professionen kooperieren und sich austauschen. Die Aufgabenbereiche von
Familiengericht, Jugendamt, Schule, Polizei, Jugendstaatsanwaltschaft und
Jugendgericht sind hier eng miteinander verbunden. Dies gilt besonders für
die Zusammenarbeit der Jugendämter mit den Familiengerichten. So ist es oft
in erster Linie das Jugendamt, das das Familiengericht in Fällen der
Kindeswohlgefährdung anruft und am gerichtlichen Verfahren mitwirkt. Zudem
ist es in vielen Fällen das Jugendamt bei der Umsetzung von gerichtlich
angeordneten Maßnahmen beteiligt.

Auf dem Prüfstand der Arbeitsgruppe stehen zudem die vorhandenen
Bestimmungen zur Heimunterbringung von Kindern und Jugendlichen.
Verschärfungen im Jugendstrafrecht stehen jedoch nicht zur Diskussion.

Der Arbeitsgruppe gehören insbesondere Praktiker aus der
Familiengerichtsbarkeit und der Kinder- und Jugendhilfe sowie Vertreter
betroffener Verbände an. Sie wird voraussichtlich Ende 2006 ihre Ergebnisse
vorlegen.


Quelle:
Internetseite des Bundesjustizministerium (www.bjm.de)
Pressemitteilung vom 07.03.2006